Abendimpuls

 

Liebe Freunde und Bekannte!

 

Heute am Montag ist „klassischerweise“ mein „freier Tag“ – außerhalb der Corona-Zeit fahre ich bewusst weg, um abzuschalten; ist ja eh nur ein freier Tag pro Woche – und die Abende unter der Woche sind meist lang.

 

Jetzt ist durch Corona vieles anders – keine Abendtermine, aber Telefonate und Arbeit am PC; und auch am Montag „schaue ich immer mal wieder im Büro vorbei“ – so richtig frei ist dieser Tag nicht…

… irgendwie kam mir in den ersten Wochen der Rhythmus durcheinander oder ist verwischt.

Das lag schon auch am „veränderten“ Sonntag mit nur einem Gottesdienst – das war gefühlt wie „Werktag“ und auch der Montag war anders als gewohnt – nicht daheim bei meinen Eltern, in der Therme, Wandern und auch kein Treffen mit Freuden oder meinen Patenkindern.

 

Seit etwa 2 Wochen steht an meinem Schreibtisch eine Postkarte mit dem Spruch „Nimm Dir Zeit für Dich“ – wichtig!

Das war und ist mir wichtig an jedem Tag immer auch kleine Oasen für mich zu haben – das Zeitunglesen zum Frühstück, die kleine Mittagsruhe nach dem Essen…

… das ist so wie immer – und das ist auch gut so, wie auch der Gebetsrhythmus, der den Tag strukturiert…

… aber der freie Montag als „größere Insel“ zum Abschalten und Kräftetanken den habe ich mir neu „gestalten“ müssen.

Ich schreibe deshalb erst heute Abend – nicht weil es mir lästig wäre, nein,

sondern weil mir die Zeit vorher für mich, für private Dinge wichtig war – und ich habe es genossen, auch wenn ich nicht wegfahren konnte; es war ein wichtiger Tag zum Ausspannen und tat gut.

 

Mitgeben will ich heute an diesem Tag einen Auszug aus einem Schreiben des heiligen Bernhard von Clairvaux (* um 1090; † 20. August 1153). Er ist Kirchenlehrer und frühscholastischer Mystiker und gilt als einer der bedeutendsten Mönche des Zisterzienserordens, für dessen Ausbreitung über ganz Europa er verantwortlich war. Er schrieb einen freundschaftlich-mahnenden Brief an seinen früheren Schüler und Mönch, Papst Eugen III.:

 

„Wo soll ich anfangen?

Am besten bei deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit dir.

Ich fürchte, dass du eingekeilt in deine zahlreichen Beschäftigungen, keinen Ausweg mehr siehst und deshalb deine Stirn verhärtest;

dass du dich nach und nach des Gespürs für einen durchaus richtigen und heilsamen Schmerz entledigst.

Es ist viel klüger, du entziehst dich von Zeit zu Zeit deinen Beschäftigungen, als dass sie dich ziehen und dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem du nicht landen willst.

Wenn du dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und keinen Raum mehr für Besinnung vorsiehst, soll ich dich da loben?

Darin lob ich dich nicht.

Ich glaube, niemand wird dich loben, der das Wort Salomons kennt: „Wer seine Tätigkeit einschränkt, erlangt Weisheit.“ (Sir 38,25)

Und bestimmt ist es der Tätigkeit selbst nicht förderlich, wenn ihr nicht die Besinnung vorausgeht.

Wenn du ganz und gar für alle da sein willst, nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist (1 Kor 9,22), lobe ich deine Menschlichkeit – aber nur, wenn sie voll und echt ist.

Wie kannst du aber voll und echt Mensch sein, wenn du dich selbst verloren hast?

Auch du bist ein Mensch.

Damit deine Menschlichkeit allumfassend und vollkommen sein kann, musst du also nicht nur für alle anderen, sondern auch für dich selbst ein aufmerksames Herz haben.

Denn was würde es dir nützen, wenn du – nach dem Wort des Herrn (Mt 16,26) – alle gewinnen, aber als einzigen dich selbst verlieren würdest?

Wenn also alle Menschen ein Recht auf dich haben, dann sei auch du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat.

Warum solltest einzig du selbst nichts von dir haben?

Wie lange bist du noch ein Geist, der auszieht und nie wieder heimkehrt (Ps 78,39)?

Wie lange noch schenkst du allen anderen deine Aufmerksamkeit, nur nicht dir selber!

Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein?

Denk also daran: Gönne dich dir selbst.

Ich sag nicht: Tu das immer, ich sage nicht: Tu das oft, aber ich sage: Tu es immer wieder einmal.

Sei wie für alle anderen auch für dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen.“

 

Mit Bernhard von Clairvaux weitet sich das benediktinische „ora et labora – bete und arbeite“ um eine weitere Dimension „Gönne Dich Dir selbst.“

Es sind also alle drei Beziehungsebenen angesprochen – alle drei sollen gepflegt werden und zueinander in Beziehung stehen:

  • die Beziehung zu Gott in Schriftlesung, Gebet und Gottesdienst
  • die Arbeit, die Beziehung zu anderen Mitmenschen und Mitgeschöpfen, ja die ganze Schöpfung
  • die Beziehung zum eigenen Ich, die gepflegt werden will

Diese dreifache Beziehungspflege und die Ausgewogenheit, die Balance, sind im jesuanischen Doppelgebot der Liebe grundgelegt, das eigentlich ein Dreifachgebot ist:

 

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele,

mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft – 

und Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden. (vgl. Mk 12,30-31)

 

Es ist wichtig auch an sich zu denken – das ist kein Egoismus, sondern Grundlage dafür auch die anderen beiden Beziehungen, die zu Gott und zu den Mitmenschen, ausgeglichen und mit ganzer Kraft leben zu können.

 

Ich wünsche Ihnen/Euch immer wieder Zeiten des „Gönne Dich Dir selbst“ – es ist keine vertane Zeit, sondern eine segensreiche und fruchtbare Zeit.

Ihnen eine gute Zeit und + Gottes Segen.

 

Ihr/Euer Dieter G. Jung

Pfarradministrator im Katholischen Seelsorgebereich Hofer Land zuständig für Schwarzenbach a. d. Saale – Oberkotzau – Rehau

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