1 Kön 17,10-16 + Mk 12,38-44
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!
La-la-la-lala – mehr vom Leben. Eine große Versicherungsgesellschaft warb einst mit dieser Erkennungsmelodie. La-la-la-lala – mehr vom Leben. In den letzten Jahren ist es still um diese Versicherung geworden. Das Lebensgefühl und die Sicherheit für die Versicherten, die sie werbewirksam verkaufte, sind unglaubwürdig geworden – der schöne Schein wie eine Seifenblase zerplatzt: Lustreisen für verdiente Mitarbeiter und andere Skandale zeigten, dass Botschaft und Handeln nicht zusammenpassten.
Was gibt mir Sicherheit und welche Sicherheit kann ich mir leisten? Wie kann ich sichergehen, dass es auch meinen Mitmenschen gut geht?
In den heutigen Schrifttexten stehen zwei Witwen im Mittelpunkt: Frauen mit Kindern, die in der damaligen Patriarchal-Gesellschaft rechtlich und materiell am Rand standen, am Rand ihrer Existenz. Seien sie versichert: soziale Sicherungssysteme, wie wir Sie heute kennen, gab es damals nicht. Die einzige Sicherheit, in deren Besitz und dessen Besitz eine Frau damals war, war der Mann an ihrer Seite, der ihr Einkommen und damit Auskommen bot – mehr vom Leben. Doch diese letzte Sicherheit war gestorben. Verwitwet sein: der Kampf ums nackte Überleben hatte begonnen.
Dieser Überlebenskampf wurde zurzeit des Propheten Elija im 9. Jh. v. Chr. durch die Lebensumstände verstärkt: Es herrschten Dürre und Hungersnot. Trotz ihrer Not ist die Witwe bereit, einem fremden Mann zu helfen: Sie geht, um Elija Wasser zu holen. Als er jedoch zusätzlich „einen Bissen Brot“ fordert, geht ihr das zu weit. Sie hat nicht mehr als „eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug.“ Es ist das Letzte, was sie noch hat. Es reicht gerade noch für ein Brötchen für sie und ihren Sohn, bevor beide langsam, aber sicher verhungern werden: „Das wollen wir noch essen und dann sterben“ (1 Kön 17,11.12). Das todsichere Lebensende frisst die letzte Hoffnung auf Zukunft und das mehr vom Leben.
Was hat die Witwe noch zu verlieren? In ihrer Not teilt sie das Letzte, das sie hat – den Tod vor Augen. Die Witwe erfährt, dass der ihr fremde Gott und sein Prophet Elija Wort halten, dass sich der Ich-bin-der Ich-bin-da bedrohtem Leben zuwendet und Lebensnotwendiges gibt - wunderbar. Gottes Menschenfreundlichkeit kennt keine Grenzen, das ist sicher.
Auch die arme Witwe im Evangelium (Mk 12,38-44) gibt das Letzte, das sie besitzt: zwei kleine Münzen, zwei Kupferpfennige, zwei Cent wirft sie in den Opferkasten, den Kollektenkorb, den Klingelbeutel. Zwei kleine Münzen – herzlich wenig. Ja, es ist vom materiellen Wert und verglichen mit dem, was die anderen Leute und die Reichen geben, herzlich wenig. Und doch ist es herzlich viel, verglichen mit dem, was sie besitzt: Die arme Witwe gibt alles – die andern nur von ihrem Überfluss.
Es ist herzlich viel, weil ihre Gabe von Herzen kommt und nicht nur der Gewissensberuhigung oder dem Ansehen dient. Die Schriftgelehrten dagegen inszenieren sich als „Hochwürden“, die von allen gesehen und eingeladen werden wollen. In dieser „Scheinheiligkeit“ sind sie die Gegenfiguren zur armen Witwe: Herzlosigkeit bestimmt ihre scheinbare Seelsorge – ihre Sorge gilt dem letzten Hab und Gut der Witwen, das sie haben wollen; verwerfliches Handeln, das in keinster Weise von Herzen kommt und auch die Herzen der Mitmenschen nicht erreicht.
Sie, die beiden Witwen, lieben Gott von ganzem Herzen und ihren Nächsten wie sich selbst (vgl. Ev vom letzten So: Mk 12,28b-34). Da haben sie vielen Menschen und auch mir einiges voraus. Die Witwen sind so anders als die scheinheiligen und egoistischen Menschen unserer Tage; sie sind auch anders als die Witwen „Waltraud und Mariechen“, über die wir herzlich lachen können. Die Witwen der biblischen Erzählungen des heutigen Sonntags lehren mich, worauf es wirklich ankommt: auf Authentizität, auf gelebte Einfachheit und echte Solidarität. Die armen Witwen geben alles – genau deshalb beeindrucken sie mich und machen mich nachdenklich. Die beiden Witwen fordern mich heraus, alles zu geben, damit ich den Reichtum spüre, den ich und wir alle besitzen, wenn wir herzlich und großzügig miteinander umgehen. Durch ihr beispielhaftes Handeln können mir die Witwen Situationen in meinem Lebensumfeld aufzeigen, wo es wichtig ist, nicht nur ein kleinwenig von meinem Überfluss zu geben, sondern alles und mich selbst: mein Leben, meine Kraft, meine Zeit und meine Liebe. Dann haben wir alle mehr vom Leben – mit absoluter Sicherheit. Amen.