PREDIGT Christkönigssonntag; LJ B

Dan 7,2a.13b-14 + Joh 18,33b-37

 

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!

 

„Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38).

Was ist Wahrheit in Zeiten von fake news?

Was ist Wahrheit in Zeiten, wo das gestern Gesagte heute schon in Zweifel gezogen wird und morgen schon nicht mehr gilt?

Was ist Wahrheit, angesichts der Tatsache, dass ein Mensch durchschnittlich 200-mal am Tag lügt: Schummeln, Falschaussagen, um selbst in einem besseren Licht zu stehen; Lügen, um des lieben Friedens willen.

„Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38).

 

Pilatus sucht im heutigen Evangelium die Wahrheit zu ergründen: „Was ist Wahrheit?“ (Joh 18,38). Pilatus spricht diesen Satz aus – leider endet das zu verkündende Evangelium (Joh 18,33b-37) vorher, denn sonst wäre klar, dass Pilatus der Wahrheit auf die Spur gekommen ist: „Pilatus sagte zu Jesus: Was ist Wahrheit? Nachdem er das gesagt hatte, ging er zu den Juden hinaus und sagte zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm“ (Joh 18,38).

 

Wir waren Zeugen einer Gerichtsverhandlung, in der es um Leben und Tod ging – wir waren mit dabei beim Kreuzverhör. Jesus steht seinem Richter Pontius Pilatus gegenüber, der nach der Wahrheit sucht. Pilatus nimmt als Statthalter der römischen Provinz Judäa sein Richteramt ernst und stellt viele Fragen: Bist du der König der Juden? […] Was hast du getan? […] Also bist du doch ein König? (Joh 18,33.35.37). Das Verhör dreht sich um die Frage, wer dieser Jesus in Wahrheit ist: der Sohn eines Zimmermannes, oder ein Sozialrevolutionär mit Königsanspruch, der die Unterdrückung und Ausbeutung durch die römische Besatzungsmacht brechen wollte. Pilatus ist Teil dieses römischen Machtapparats: einen jüdischen Aufrührer und Gegenkönig, einen politischen Messias und vom Volk vergötterten „König der Herzen“ wollte er mit aller ihm gegebenen Macht verhindern.

 

Rein äußerlich ist Jesus in der Rolle des Unterlegenen – bei genauerem Hinsehen aber wirkt Pontius Pilatus geradezu machtlos und unentschieden. Im Fortgang der Passionsgeschichte bewegt er sich ständig zwischen Jesus, dem jüdischen Volk und – zumindest wohl auch gedanklich – zwischen seinen mächtigen Vorsetzten in Rom hin und her. Gegenüber der Person Jesu zeigt sich die ganze Ohnmacht des mächtigen Richters – und es zeigt sich, wer Jesus von Nazareth in Wahrheit ist: ein König, ja, aber eben nicht von dieser Welt – ein König ohne kämpferisches Heer, ohne weltlichen Machtanspruch – ein König ohne Waffengewalt und mit einem Königreich ohne Terrorangst. Sein Königtum soll für die Wahrheit Zeugnis ablegen.

 

Wahrheit – im Griechischen „Alätheia“ – bedeutet wörtlich übersetzt das Unverborgene. Wahrheit, die offen und ehrlich ist, dass sie sich nicht verstecken oder etwas fürchten muss; Wahrheit, die wirklich hält, was sie verspricht, die Bestand hat und ewig gilt – Jesus lebt und ist diese Wahrheit.

 

Jesus durchkreuzt die real-politische Messias-Hoffnungen der Menschen damals wie heute: Sein Königtum ist anders. Jesus Christus will als Zeuge der Wahrheit, durch seine Botschaft und sein Leben, Gott in der Welt sichtbar machen: die Liebe Gottes zu den Menschen, gerade zu den Kranken, Armen und Schwachen – zu den Menschen, die ohnmächtig ihrem Schicksal ausgeliefert sind, die keine Macht haben, daran etwas zu ändern und die unter der Macht der Mächtigen leiden. Jesus Christus selbst ist diese menschgewordene Liebe Gottes. Er verzichtet auf seine himmlische Königsmacht und wird ein ohnmächtiger Mensch. Und doch hat er königliche Würde bis zuletzt, bis ans Ende seines irdischen Lebens – eine Würde, die ihm auch durch Kreuz und Dornenkrone nicht genommen werden kann, eine königliche Würde, die von Gott kommt.

 

 

 

Jesus Christus ist der König, der sich für die Schwachen einsetzt – und er ist Richter: ein Richter, der über mich richtet, aber mich in Liebe annimmt, trotz meiner Schuld und noch vor aller Leistung; ein Richter, der die Liebe Gottes spürbar macht; ein Richter, der mich liebevoll aufrichtet und ermutigt in meiner Schwachheit und Ohnmacht; einer, der mir kein zusätzliches Kreuz auferlegt, sondern die Kreuze meines Lebens mit mir trägt und alle Kreuzwege mit mir geht. Jesus Christus ist der Richter, nach dem ich mich richten und an dem ich mein Leben ausrichten kann. Jesus selbst gibt diese Richtung zu gelingendem Leben vor: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6).  

Amen.