PREDIGT - 4. Sonntag im Jahreskreis im LJ

1 Kor 12,31-13,13 + Lk 4,21-30

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, liebe Jugendliche!

Out in church – ja ich habe den Mut und oute mich: Ich bin einer von ihnen – aber immer nur montags, an meinem freien Tag – immer um 14.10 Uhr bin ich dabei: da läuft Rote Rosen. Ja, ich gestehe, ich bin ein Roter Rosen-Fan; nicht täglich, da ich keinen Fernseher besitze, aber montags mit meinen Eltern, die diese Seifenoper gerne schauen – und wie viele von Ihnen auch. Es geht in Rote Rosen – wie schon zu vermuten – um Liebe, um hin und her und wer mit wem, um auf und ab.

Love in church – ja, es geht um Liebe – auch in der Kirche. Liebe ist ein Segen für den, der geliebt wird und für die, die Liebe empfängt. Paulus schreibt von der Liebe im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth (1 Kor 12,31-13,13). Es ist der Text, den wir oft bei kirchlichen Trauungen hören: Und doch sagen mir viele Paare bei der Ehevorbereitung: wir wählen lieber einen anderen Text, denn das „Lob auf die Liebe“ überfordert uns – ist ein unerreichbares Ideal – blendet Schwierigkeiten aus – ist zu realitätsfern: „Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,7-8a). Viele Paare machen andere Erfahrungen: Zeiten des Ungeliebtseins, des Brüchigwerdens und des Zerbrechens der Liebe und der Ehe – Scheitern und Scheidung.

Und doch kann das „Hohelied der Liebe“ Wegweiser sein, ein Soll, für mit- und zwischenmenschliche Liebe in Ehe und (Lebens-)Partnerschaft – egal wer da wen und wie liebt und sich in Liebe verbunden fühlt. Paulus bewertet nicht die Liebenden als Person, sondern er charakterisiert die Liebe – in der Tat. Liebe zeigt und realisiert sich im Tun und Handeln, nicht in einem romantischen Gefühl oder der sexuellen Orientierung.

Es ist eine Liebe, die Mut braucht, sich zueinander zu bekennen – angstfrei – auch in der Kirche. Liebe, die Mut braucht, sich zu trauen, das Leben und die Liebe miteinander zu wagen. Liebe, die langen Mut braucht (vgl. 1 Kor 13,4-7): Mut, miteinander in eine gemeinsame und doch ungewisse Zukunft zu gehen; Mut, in guten wie in schlechten Tagen füreinander zu sorgen, zu sehen was der/die andere braucht, wie man ihr/ihm helfen und sie/ihn unterstützen kann. Mut zur Liebe, die das Gute will und nicht den eigenen Vorteil sucht. Mut zur Liebe, in der Partner treu, offen und ehrlich zu einander sind. Mut zur Liebe, die so groß ist, dass sie auch verzeihen kann.

Diese Liebe kann überfordern. Sie fordert uns noch mehr, da Paulus nicht von einem Soll, sondern von einem Ist spricht: „Die Liebe ist langmütig. Die Liebe ist gütig. […] Die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,4-7).

Im Deutschen ist sprachlich nicht sofort klar, was oder wer mit dieser Liebe gemeint ist – wir haben eben nur dieses eine Wort: Liebe. Es ist nicht erotische Liebe und Sexualität gemeint, auch nicht freundschaftliche Verbundenheit, sondern wie es im griechischen Text steht: Agapegöttliche Liebe. Auf diese von Gott geschenkte Liebe kommt es an, sonst wäre alles menschliche Tun vergebliche Liebesmüh (vgl. 1 Kor 13,1-3). Diese göttliche Liebe ist mehr als Akzeptanz, Sympathie, Zuneigung oder Nähe: „Gottes Liebe ist gütig. [… Sie] trägt das Böse nicht nach. [Gottes Liebe] freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. [… Gottes Liebe] hört niemals auf“ (1 Kor 13,4-8a). Wir können nicht aus dieser Liebe Gottes fallen: Gott nimmt uns an und liebt uns, trotz unserer Schuld, trotz unseres Versagens; Gott nimmt uns an und liebt uns, noch bevor wir etwas geleistet oder ihn gnädig gestimmt hätten.

God in church – ja, diese göttliche und Gott geschenkte Liebe soll uns als Gemeinde und als Kirche prägen. Paulus bettet das „Hohelied der Liebe“ textlich ein zwischen dem Verständnis der „Gemeinde als Leib“ (vgl. 1 Kor 12) und der Mahnung zum „friedlichen Miteinander im Dienst vor Gott“ (vgl.  1 Kor 14). Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth, in der es Geltungssucht, Parteiungen und Spaltungstendenzen gibt – und er schreibt uns als Kirche von heute, die auch diese Probleme hat und noch weit gravierenderer kennt, Liebe ins Stammbuch: Ohne Gottes Liebe und die göttliche Liebe in uns, die durch uns wirken möchte, ist jedes Tun in Gemeinde und Kirche nutz- und wirkungslos. Mit 15 Tätigkeitswörtern beschreibt Paulus, was Liebe tut, was ihr fernsteht und was aus Liebe gar nicht geht. Paulus beschreibt Gemeinde und Kirche als Handlungstraum der Liebe – als einen Ort, an dem viel Gutes geschieht, über das aber viel zu wenig gesprochen oder berichtet wird: Als Kirche und Pfarrgemeinde geben wir der Liebe ein Gesicht in Kindergärten und Altenheimen, in Beratungsstellen und bei der Klinikseelsorge, bei Geburtstags- und Krankenbesuchen, bei der Trauerbegleitung und in der Seelsorge. Paulus beschreibt Kirche als Handlungstraum der Liebe – als einen Ort, an dem Missbrauch tabu sein sollte – als einen Ort, an dem liebevoll sachlich diskutiert und transparent gearbeitet werden sollte zum Wohle der Menschen – als einen Ort, an dem die Wahrheit und Wahrheitsliebe oberste Maxime und Liebe angstfrei möglich sein sollte. Ich bleibe mutig dabei und arbeite weiter daran, dass dieses Soll immer mehr Wirklichkeit wird – aus Liebe. Bleiben Sie dabei, bei der Kirche, in unserer Pfarrgemeinde, bringen Sie sich ein und arbeiten Sie mutig mit, damit Gutes erhalten bleibt, Ungenügendes besser gemacht werden kann und Untragbares abgeschafft wird. Bleiben Sie dabei – aus Liebe.  

AMEN.